Samstag, 8. Dezember 2018

Betriebsrat: »Wir fühlen uns im Stich gelassen«

... oder sollte es besser heißen: "Wir haben sie im Stich gelassen"? Eine interessante Frage, denke ich. Was ist passiert?
 

Kündigung - und nicht einmal "Regelabfindung"


Quelle: Poggenpohl
Der Betriebsrat und der "Eigner" des Küchenherstellers Poggenpohl in Herford haben sich am 06.12.18 in einer vierten Verhandlungsrunde darauf verständigt, dass 52 der rund 340 Beschäftigten im Januar gekündigt werden können.

Als Ergebnis dieser vier Verhandlungsrunden winkt den Entlassungskandidaten eine "Entschädigung". Es wird jedoch keine dicke Abfindung werden, wie Leser dieses Blogs sie von anderen Beiträgen kennen.

Die Abfindung soll nicht einmal die Höhe der sogenannten Regelabfindung erreichen.
"Vereinbart werde eine Abfindung knapp unter der Formel der Regelabfindung von "0,5 X Jahre der Betriebszugehörigkeit X Monatsbrutto". Das heißt: Ein Betroffener mit 5.000 Euro brutto Monatseinkommen und zehn Jahren Betriebszugehörigkeit bekommt weniger, als die daraus eigentlich resultierenden 25.000 Euro Regelabfindung."

Zum Vergleich: Nach dem Betriebsergebnis 2016 erwirtschaftete jeder Mitarbeiter einen Jahresumsatz von ca. 234.000 Euro.

Auf der Streichliste stehen darüber hinaus weitere 18 Stellen, für die befristeter Verträge nicht verlängert und frei gewordener Stellen nicht besetzt werden.

Poggenpohl gehört zu fast 100 Prozent zur ADCURAM Group AG mit Sitz in München. Die AG "erwirbt Unternehmen mit Potenzial und entwickelt diese seit mehr als 10 Jahren erfolgreich und nachhaltig weiter" - wie man auf der Webseite des Unternehmens nachlesen kann.

Gewerkschaft und Anwalt lassen Betriebsrat im Stich(?)


Der Betriebsratsvorsitzende Andreas Ott fühlt sich "im Stich gelassen". Seiner Auffassung nach, wäre diese Lösung die vernünftigste.
"Der Betriebsrat habe Einsicht nehmen können in ein unabhängiges und seriöses Wirtschaftsgutachten mit teils überraschenden Zahlen, die zum Entschluss geführt hätten, die Zustimmung zu den Kündigungen in Aussicht zu stellen."

Demgegengüber sahen die Vertreter der IG Metall das wohl anders. Die Gewerkschaft IG Metall hatte schon in der dritten Verhandlungsrunde ihre Unterstützung zurückgezogen. Sie wollte dem Arbeitgeber nicht so weit entgegenkommen wie der Betriebsrat. Auch der Anwalt des Betriebsrates hat sein Mandat vor der Einigung kurzfristig und überraschend niedergelegt.

Dass Gewerkschaft und Anwalt einem Betriebsrat ihre Unterstützung entziehen...

Von den Entlassungen seien alle Mitarbeiterebenen betroffen, gleich ob Produktion oder Führung.

Nach den Worten des Betriebsrates soll den älteren Arbeitnehmern der Einstig in die Rente so gestaltet werden, "dass es finanziell einigermaßen geht". In dem Sinne strebt er einen Interessenausgleich und einen Sozialplan an.

Was ist darunter zu verstehen, "dass es finanziell einigermaßen geht" 

Was bleibt nach Steuern noch übrig?


Nehmen wir einmal an: Jemand der 10 Jahre im Unternehmen beschäftigt war, verheiratet ist und ein Monatsbrutto von 5.000 Euro hat, erhält noch in diesem Jahr seine ordentliche Kündigung (4 Monate Kündigungsfrist zum 30.04.19). Dann ergibt das für das nächste Jahr:

Monatsbrutto 4 x 5.000 Euro
Abfindung 25.000 Euro

Unter diesen Bedingungen wird diese Abfindung nicht einmal nach der Fünftelregelung ermäßigt versteuert, weil keine "Zusammenballung von Einkünften" vorliegt. Vielmehr werden vom Gehalt ca. 4.000 Euro Sozialversicherung und insgesamt einschließlich Abfindung ca. 6.000 Steuern abgezogen.

Rest: 35.000

Dank Arbeitslosengeld wird zwar noch etwas Geld hinzukommen ... aber auch die Steuerbelastung steigen.

Hoffentlich wissen die betroffenen Mitarbeiter die "Einigung" zu würdigen, wenn ihnen am Montag, 14 Tage vor Weihnachten, die Details ihrer Entlassung mitgeteilt werden.

Natürlich bleibt es jedem Betroffenen vorbehalten, eine Kündigung zu akzeptieren, oder dagegen zu klagen - auch wenn diese auf einem "Sozialplan" beruht.

Sonntag, 26. August 2018

Freiwillig gehen und Abfindung kassieren

Ein immer noch verbreiteter Irrtum unter vielen Arbeitnehmern: Wenn das Arbeitsverhältnis endet, gibt es eine Abfindung. Ja wenn sie Konzernvorstand oder Aufsichtsrat wären, dann...

Der frühere Thyssen-Chef erhält Millionenabfindung

Quelle: 02elf.net
Der frühere Thyssen-Krupp-Chef Heinrich Hiesinger (im Bild 2.v.r.) hatte im Juli bekannt gegeben, dass er das Essener Unternehmen auf eigenen Entschluss verlässt. Für seinen Abgang erhält er nach F.A.Z.-Informationen eine Abfindung in Höhe von voraussichtlich 2,7 Millionen Euro. Dazu kommen höchstwahrscheinlich noch Boni.

Ein Sprecher des Aufsichtsrats wird zur Abfindungszahlung mit den Worten zitiert:
"Diese liegt im Rahmen dessen, was der Deutsche Corporate Governance Kodex empfiehlt.“
Getreu der Thyssen-Krupp-Unternehmenskultur "Wir gehören zusammen" könnte man sagen: 2,7 Millionen Euro, das darf also jede und jeder der 158.739 Mitarbeiter des Unternehmens rund 17 Euro beitragen = Peanuts.

Die beiden Redakteure des F.A.Z.-Artikels kommentieren die Entscheidung:
"Formal dürfte die Abfindung also kaum zu beanstanden sein. Doch stellt sich die Frage nach der Außenwirkung, wenn jemand, der sehr explizit selbst den Vertrag auflösen will, noch zwei Jahresgehälter plus Zusatzleistungen bekommt."
Und sie führen als Gegenbeispiel dazu Marcus Schenck, Ex-Deutsche-Bank-Vorstand an. Dieser hat im Frühjahr die Bank verlassen und soll damals der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung gesagt haben: 
„Ich gehe auf eigenen Wunsch, insofern verzichte ich auf eine Abfindung.“

Kodex vs. "Moral" 

Der Deutsche Corporate Governance Kodex enthält Empfehlungen und Anregungen für börsennotierte Unternehmen zur "guten Unternehmensführung". Darin ist vorgesehen, das bei „wichtigem Grund“, also etwa grober Pflichtverletzung durch den Vorstand, kein Geld, also auch keine Abfindung gezahlt wird. Viele "normale Arbeitnehmer" mögen schon diese "Selbstverpflichtung" für einen Hohn halten. Denn wenn sie wegen grober Pflichtverletzung aus dem Unternehmen geworfen werden, ist ganz klar, dass es dafür keine Entschädigung gibt.

Vorstände und Aufsichtsräte lassen sich jedoch im Gegenzug für diesen "Verzicht" den Anspruch auf eine Auszahlung von Vergütungen für die verbleibende Vertragslaufzeit und eine Abfindung in den anderen Fällen in den Vertrag schreiben. Dabei spielt es dann keine Rolle, von welcher Vertragspartei die Trennung ausgeht. Im Kodex sind lediglich als "Deckel" zwei Jahresgehälter vorgesehen.

Fazit: Bereits mit dem Vertragsabschluss werden die Weichen für das Vertragsende gestellt. Haben Sie das in Ihrem Arbeitsvertrag auch so geregelt? - Übrigens: es geht auch noch toller: Abfindung wegen vorzeitiger Vertragsauflösung von über 180.000 Euro kassieren und sich dann sich erneut um den selben Posten bewerben!


Quelle: faz.net, 25.08.2018 

Nachtrag in faz.net, 10.09.2018 unter dem Titel "Die Obergrenze ist Makulatur":
"Der im Kodex empfohlene Deckel wird formal erfüllt – und doch oft überschritten."

Nachtrag in manager-magazin.de, 01.10.2019
"Dem Vergütungsbericht zufolge hatte Kerkhoffs Vorgänger Heinrich Hiesinger, dessen Amtszeit im Juli 2018 endete, rund 4,555 Millionen Euro Abfindung erhalten."

Sein Nachfolger Guido "Kerkhoff hatte den Vorstandsvorsitz erst am 1. Oktober 2018 dauerhaft übernommen und einen Fünfjahresvertrag erhalten. Billig wird der vorzeitige Abschied des Managers für den Konzern nicht. Laut 'Börsen-Zeitung' und 'Handelsblatt' wird Thyssenkrupp ihm eine Abfindung von insgesamt rund 6 Millionen Euro zahlen."

Donnerstag, 23. August 2018

Wovon ist die Abfindungshöhe abhängig?

Wonach richtet sich die Abfindungshöhe? - Aus Firmensicht meist nach dem Risiko, dass vom Arbeitnehmer ausgeht. Belege dafür liefert derzeit beispielsweise VW.

Abfindungshöhe und Unternehmensrisiko


Abfindungen werden verhandelt - auch ihre Höhe. Auf diese Regel kann nicht oft genug verwiesen werden. Denn es ist immer noch ein verbreiteter Irrtum, dass nach bundesdeutschem Recht "Arbeitnehmer" in jedem Fall einen Rechtsanspruch auf Abfindung bei Kündigung hätten.

Die Vorstände und Geschäftsführungen sind dabei vor allem dann verhandlungsbereit, wenn das voraussichtliche Risiko für das Unternehmen sehr groß ist. Schauen wir uns dazu drei Beispiele an, die in der "Süddeutschen" am 19.08.2018 beleuchtet wurden.

Beispiel 1: Herr D.


Herr D. war einer der führenden Motorenexperten bei Volkswagen und blickt auf 25 Jahre Betriebszugehörigkeit beim Konzern zurück. Zusammen mit anderen VW-Technikern hat er Dieselpartikelfilter entwickelt - aber auch die Schadstoffreinigung manipuliert, um strenge US-Grenzwerte einzuhalten. Der Staatsanwaltschaft Braunschweig und den US-Behörden längst alles gestanden. Für die US-Justiz hat er den Status eines Kronzeugen und muss dort nicht mit Strafe rechnen.

Weil er schon alles gestanden hat und deshalb wohl keine weitere Gefahr von ihm ausgeht, will ihn die Konzernführung entlassen und hat ihn schon freigestellt. Warum sollte er nun noch eine Abfindung bekommen? Dafür, dass er seine Manipulationen bereut und ausgepackt hat? Schließlich gilt er der Konzernführung als "Verräter", auch wenn das offen keiner so sagt.

Beispiel 2: Herr P.


Der frühere Audi-Ingenieur Giovanni P.  ist ebenfalls in die Abgasaffäre verstrickt. Gegen seine Entlassung bei Audi wehrte er sich. Wenn es zum Arbeitsgerichtstermin gekommen wäre, hätte der Skandal vermutlich Kreise gezogen. Audi kam dem zuvor. Nun bekommt Giovanni P. über eine Abfindungsvereinbarung nach und nach mehr als 1,5 Millionen Euro "Schweigegeld", auch wenn er in der monatelangen Untersuchungshaft einiges ausgeplaudert hat.

Beispiel 3: Herr N.


Der frühere Entwicklungsvorstand Heinz-Jakob Neußer hat ebenfalls eine Kündigung erhalten. Noch ist nicht klar, ob er sich arbeitsrechtlich dagegen wehren wird. Erfahrung darin hat er. Als er sich vor dem Arbeitsgericht Braunschweig 2017 dagegen wehrte, dass ihm ein Bonus von 1,4 Millionen Euro vorenthalten werden sollte, wendeten die Streitparteien in letzter Minute die öffentliche Verhandlung ab - und einigten sich außergerichtlich.

Wenn Sie diesen Blog durchblättern, finden Sie noch mehr Beispiele für die Eingangsbehauptung

Quelle: sueddeutsche.de, 19.08.2018, handelsblatt.com, 20.08.2018 

Dienstag, 21. August 2018

Eigentum verpflichtet - auch zu Entlassungen?

Es gibt Firmen, die sind nicht "Arbeitgeber", sondern wohl eher "Arbeitwegnehmer". Hier ein Beispiel - vielleicht kennen Sie davon noch mehr.

Enercon als "Arbeitgeber" - oder die Kunst der Verwandlung?

Enercon ist einer der führenden Windanlagenbauer in Deutschland und galt nach Marktanteilen 2016 als weltweit fünftgrößter. Für 2016 meldete der Konzern aus Aurich eine Umsatzsteigerung um sieben Prozent auf das Rekordniveau von 5,1 Milliarden Euro. Vor Steuern blieb der Gewinn mit 603 Millionen Euro etwa auf dem Niveau des Vorjahrs (604 Millionen).

Für 2017 plante die Konzernführung, Anlagen für insgesamt 3.700 bis 4.000 MW zu installieren. Doch Ende 2017 räumte ein Enercon-Sprecher bereits ein: 
„Durch politische Verunsicherung, fehlende Transportgenehmigungen und widrige Wetterbedingungen werden wir am Jahresende ca. 3350 Megawatt errichtet haben“. (nwzonline.de, 13.02.18)
Vor allem die "Folgen des neuen Ausschreibungsmodells" des Bundes mache dem Konzern zu schaffen. Deshalb wurde das Tochterunternehmen Roma Magdeburg geschlossen - offiziell hieß es in der Presse jedoch:
"Das Unternehmen Rotorblattfertigung Magdeburg (Roma) will [Hervorhebung T.S.] zum Jahresende den Betrieb einstellen. 140 Mitarbeiter verlieren dann ihren Job...Offenbar wurde schon länger am Bedarf vorbei produziert. Deswegen hat Enercon die Zusammenarbeit zum Jahresende beendet." (mdr.de, 27.09.17)
Übrigens: Roma war nicht ein fremder "Zulieferer", sondern eine konzerneigenes Tochterunternehmen von Enercon. Also Zusammenarbeit mit der eigenen Unternehmenstochter beendet - auf gut deutsch: Vorher hat die Mutter die Gewinne kassiert, jetzt lässt sie die Tochter im Regen stehen.*

Oder sind die Mitarbeiter, der Betriebsrat, die Gewerkschaft mit ihren "maßlosen" Forderungen schuld an der wirtschaftlichen Lage?

Schließlich wurde auch hier im Blog schon mal über den versuchten Rausschmiss des Betriebsrates Nils-Holger Böttger berichtet.

Bei dem Umgang mit Gewerkschaften und Betriebsrat wird wohl auch kaum eine Sozialplanabfindung für die Entlassungskandidaten herauskommen, die den Namen verdient.



Oder ist die Staatsanwaltschaft schuld?
"Die Staatsanwaltschaft Magdeburg ermittelt gegen eine Tochterfirma des Windenergieanlagenbauers Enercon. Der Vorwurf lautet nicht ordnungsgemäße Zahlung von Lohnsteuern sowie Sozialversicherungsbeiträgen." (volksstimme.de, 23.08.17)
Hat es vielleicht nicht ganz so geklappt mit der "Personalkostensenkung", wie die Konzernführung sich das vorstellte?
"Der Windradhersteller Enercon will mehr fürs Ausland produzieren und dort Zulieferer beschäftigen. In Deutschland sei kein Geld mehr zu verdienen – denn die Politik schreibe angekündigte Windparks nicht aus." (faz.net, 02.08.18)
Also jetzt haben wir es: Nicht die Unternehmensführung, sondern die Politik ist schuld, dass Enercon ihren Arbeitnehmern die Arbeit wegnehmen muss.

Aber das sehen nicht alle so. Behauptet doch glatt die Fraktion DIE LINKE in Sachsen-Anhalt:
"Das Unternehmen Enercon will sich nach eigener Auskunft stärker auf internationale Märkte ausrichten. Nachdem der deutsche Markt weitgehend abgegrast und die Subventionen abgegriffen sind, heißt es also »Flucht ins Ausland«.  Das schlägt sich bereits in den Ergebnissen der UEE-Holding GmbH nieder, die den Umsatz auf 5,2 Milliarden Euro erhöhen konnte, bei gleichzeitiger Senkung der Personalkosten.
Erwirtschaftet wird dieser Reichtum durch mehr als 20.000 Beschäftigte und eine kräftige Subventionierung der Windenergie mit Steuergeldern. Kaum bläst dem Unternehmen aber mal der Wind ins Gesicht, fällt jede soziale Verantwortung ab. Nach der Enercon-eigenen Rotorblattfertigung Magdeburg mit 140 Beschäftigten soll jetzt der Bereich WEC mit 135 Entlassungen in Magdeburg und 800 Entlassungen in Ostfriesland geschlossen werden."(die-linke-burgenlandkreis.de, 06.08.18)
Und ausgerechnet DIE LINKE hält dem ehrenwerten deutschen Arbeitgeber vor, dass es keine Entlassungen mehr geben darf, "sondern aus dem Vermögen der Eigentümer in die Neuausrichtung des Unternehmens investiert werden muss." Dabei beruft sie sich ausdrücklich auf das

"Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen."
 Geht das wirklich an, dass DIE LINKE zur Einhaltung des Grundgesetzes aufruft? ;-)

*Übrigens sehe das nicht nur ich so. Arbeitsrechtler Hajo Köhler geht davon aus, dass mit dieser Firmenstruktur Enercon zielgerichtet eine Gesetzeslücke nutzt um Arbeitnehmerrechte zu beschränken. Und die Politiker schauen - natürlich taten- und machtlos - zu, wie die Beschäftigten und sie selbst vor die Tür gesetzt werden.

Wenn Enercon fast gleichzeitig aber "großzügig" einen 430.000-Euro-Förderscheck annimmt, so ist das in meinen Augen skrupellos!

 

Foto: pixabay.com

Montag, 20. August 2018

Unternehmerische Freiheit - oder Epressung

Einen Betrieb zu eröffnen oder zu schließen ist in erster Linie eine unternehmerische Entscheidung. Doch leider nicht selten schwingt dort auch ein gewisses Maße an Erpressung mit.

Geze GmbH stellt Betrieb ein und wirft Mitarbeiter auf die Straße


Foto: Geze in leonberger-kreiszeitung.de
Zwischen der IG Metall in Tauberbischofsheim und der Geze GmbH in Leonberg sind die Eckpunkte eines Sozialplans ausgehandelt. Türker Baloglu, Verhandlungsführer der IG Metall tröstet sich und die betroffenen Mitarbeiter:
„Die IG Metall bedauert die Entscheidung der Geschäftsleitung, den Geze-Standort in Boxberg-Schweigern aus strategischen Gründen zu schließen... Immerhin konnten wir für die Beschäftigten aber ordentliche Abfindungszahlungen vereinbaren.“
Er erwartet, dass die Abfindungszahlungen wesentlich höher ausfallen werden, als gesetzlich vorgegeben. Doch was heißt "gesetzlich vorgegeben"? Etwa nach Kündigungsschutzgesetz, § 1a?

Doch werden den Mitarbeitern auch neue Arbeitsplätze in Leonberg angeboten? - Das ist noch offen.

Die 35 Mitarbeiter am Standort Boxberg-Schweigern in der Nähe von Bad Mergentheim stehen vor dem beruflichen Aus.

Als Grund für die Schließung gibt die Firmenleitung an, dass seit Jahren Verluste geschrieben werden. Die Werkschließung war bereits öfter Diskussionsthema. In der Gewerkschaft hielt man solche Diskussionen für Drohungen, um die Arbeitnehmer zu mehr Überstunden zu bewegen.

Die jetzige Firmenentscheidung führen die Gesellschaftern darauf zurück, dass mit den Arbeitnehmern kein Betriebsvereinbarung erreicht wurde, wonach jeder Arbeitnehmer in Schweigern je nach Produktionserfordernissen für mindestens vier Wochen jeden Tag zehn Stunden arbeiten sollte. Die Gewerkschaft forderte maximal drei Wochen mit diesem Arbeitspensum und die Ankündigung der Überstunden eine Woche vorher.
„Über diese Situation kann die Geschäftsleitung am Stammsitz angesichts der mangelnden Kooperationsbereitschaft der zuständigen Gewerkschaft und der unzureichenden Flexibilität der Arbeitnehmervertretung nicht länger hinwegsehen“,

heißt es in der Begründung, warum die Tochterfirma geschlossen werden soll.

Quelle: stuttgarter-zeitung.de, 31.10.2014

Sonntag, 25. März 2018

Commerzbank will Abfindung von Arbeitsagentur zahlen lassen

"Die Commerzbank streicht 9.600 Vollzeitstellen – und die Arbeitsagentur soll einen Teil der Abfindungen für ältere Beschäftigte übernehmen. Das berichtet das "Handelsblatt". Das Modell ähnelt einer umstrittenen Taktik, mittels derer viele Sparkassen ihre Belegschaften verkleinern."

Commerzbank wendet umstrittene Vorgehensweise bei Massenkündigungen an

Mittwoch, 21. März 2018

Abfindungen in Millionenhöhe oder ...

Nur vier Nachrichten in dieser Woche, die wieder einmal ein bezeichnendes auf die sogenannte "Compliancekultur" in deutschen Unternehmen werfen.

Milionen-Abfindungen für Vorstände...

"Mit Thomas Sigi (Personal), Axel Strotbek (Finanzen), Dietmar Voggenreiter (Vertrieb) und Hubert Waltl (Produktion) mussten gleich vier Vorstandsmitglieder ihren Posten räumen. Allerdings nicht mit leeren Händen. Insgesamt bekamen sie 24,2 Millionen Euro an Abfindungen. Die größte Summe erhielt dabei Sigi mit insgesamt 8,667 Millionen Euro. Strotbek bekam 5,236 Millionen Euro zugesprochen, Voggenreiter 5,284 Millionen Euro und Hubert Waltl 5,021 Millionen Euro. Im Jahr zuvor hatte der damalige Entwicklungschef Stefan Knirsch nach nur einem dreiviertel Jahr im Dienst eine Abfindung in Höhe von 3,8 Millionen Euro erhalten." (donaukurier.de, 20.03.2018)

"Thomas Ebeling bekommt nach neun Jahren an der Spitze von ProSiebenSat.1 noch einmal sieben Millionen Euro überwiesen. Darin enthalten sind neben seiner Festvergütung auch Bonus-Zahlungen." (dwdl.de, 19.03.2018)

"Ex-Bahnchef Rüdiger Grube hat nach seinem Abgang beim bundeseigenen Konzern im vergangenen Jahr Medienberichten zufolge eine Millionen-Abfindung erhalten. Obwohl der Manager nach Streit um eine Vertragsverlängerung sein Amt bereits Ende Januar 2017 aufgab, soll er für das Gesamtjahr rund 2,3 Millionen Euro erhalten haben." (focus.de, 19.03.2018)

...und für langjährige Beschäftigte?


"Bis Ende September arbeiteten diese Frauen und weitere zehn Mitarbeiterinnen von WKD Sohns am Empfang von SAP, zum Teil seit 20 Jahren...Den Frauen wurden Abfindungen zwischen 200 Euro und 8500 Euro zugesprochen, je nach Dauer der Betriebszugehörigkeit, die bis zu 20 Jahre betrug. Die durchschnittliche Abfindung lag bei rund 3000 Euro. Außerdem muss WKD die Löhne seit 1. Oktober nachzahlen, in einigen Fällen acht Monate bis Ende Mai." (Rhein-Neckar-Zeitung.de, 21.03.2018)

Ach ja, "Compliancekultur" wird in Wikipedia wie folgt erläutert:
"Als Compliancekultur werden die Grundeinstellungen und Verhaltensweisen, die von der Unternehmensleitung vermittelt werden, bezeichnet („tone at the top“). Die Compliancekultur soll allen Unternehmensbeteiligten sowie auch Kunden und Lieferanten des Unternehmens die Bedeutung vermitteln, die das Unternehmen der Beachtung von Regeln beimisst, und damit bei allen Beteiligten die Bereitschaft zu regelkonformem Verhalten fördern."
So unterschiedlich sehen also die "Grundeinstellungen und Verhaltensweisen" aus, die von den Unternehmensleitungen vermittelt werden.

Montag, 5. März 2018

Unternehmen planen Entlassungen 2018

Ein kurzer Blick in die Presse - und schon kann jeder sehen, wie die deutsche Wirtschaft boomt. Wenn für Unternehmen Kosten sparen wichtiger ist als Leistung steigern, müssen Mitarbeiter gehen.
 

Unternehmen planen Entlassungen


Die Entlassungeswelle geht durch alle Branchen und alle Unternehmensgrößen:
  
GoPro entlässt weitere Mitarbeiter - film-tv-video.de
Wursthersteller entlässt mehr als die Hälfte der Mitarbeiter Bremen: Airbus will 3.600 Jobs streichen oder verlegen
Warsteiner: Warum die Brauerei 240 Mitarbeiter entlässt
Glawe: "Die Mitarbeiter stehen vor dem Nichts"
Snap entlässt Mitarbeiter in einem seiner wichtigsten ...
Bombardier-Betriebsrat beklagt Gesprächsbereitschaft
 

Und das ist nur ein kleiner Auszug aus der Liste der Unternehmen, die aktiv planen, Mitarbeiter auf die Straße zu setzen. Vor allem bei größeren Unternehmen wie Siemens oder Airbus muss darüber hinaus damit gerechnet werden, dass infolge der Entlassungswelle auch in der jeweiligen Region weitere Arbeitsplätze bedroht sind - bei Zulieferbetrieben, Dienstleistern sowie im regionalen Handel und Handwerk.

Auch wenn den betroffenen Mitarbeitern der Abschied durch eine mehr oder weniger große Abfindung "versüßt" werden sollte, sind die persönlichen finanziellen Verluste und die Rückschläge in der regionalen Wirtschaft in den meisten Fällen dauerhaft.
"Siemens ist also insgesamt in einer sehr guten und robusten Verfassung",
sagte auf der Hauptversammlung des Konzerns Siemens-Chef Kaeser ... und verteidigte den geplanten Stellenabbau.

Bei Bombardier geht es noch "kuscheliger" für die Mitarbeiter zu:
"Es fehle jegliche Bereitschaft, verbindliche Zusagen für die Zukunft zu geben. 'Dazu kommt, dass die Manager häufig wechseln und deren Sozialkompetenz weniger stark als früher ausgeprägt ist', sagte Wobst, der auch Vorsitzender des Betriebsrats in Hennigsdorf ist."
Also, liebe Noch-Angestellte: Zieht Euch warm an - zwar steigen die Temperaturen nach der arktischen Kältewelle wieder, doch Euch bläst auch weiter ein kalter Wind entgegen. Zumindest solltet Ihr Euch Verbündete suchen, um wenigstens einen teilweisen Nachteilsausgleich zu verhandeln.


Weitere Quellen: zeit.de, 31.01.2018, freiepresse.de, 14.02.2018, handelsblatt.com, 10.03.2018 

Freitag, 19. Januar 2018

Kein Geld für Abfindungen?

Die Geschäftsführung von Dura Automotive Plettenberg Leisten & Blenden GmbH (Dura L&B) sieht keinen Spielraum für Abfindungen bei betriebsbedingter Kündigung und  ficht den Spruch der Einigungsstelle vor dem Arbeitsgericht Iserlohn an.

Kein Geld für Abfindungen

Auf der Webseite von LOKALPLUS aus Lennestadt wird berichtet, dass die Geschäftsführung von Dura L&B gegen den Spruch der Einigungsstelle vom 20.12.2017 beim Arbeitsgericht vorgehen will.

Die Geschäftsführung hatte 227 Beschäftigten gekündigt und wollte gar keine Abfindungen zahlen. Betriebsrat und IG Metall forderten einen Sozialplan, wie im Betriebsverfassungsgesetz geregelt. Doch konnten sich seit 2015 die Arbeitgeber- und die Arbeitnehmerseite nicht auf einen Sozialplan einigen. Im Oktober 2016 hatte es der Betriebsrat deshalb unter anderem abgelehnt, Überstunden oder Wochenend-Schichten zu leisten.
"Daraufhin hatte die Konzernführung 280 Mitarbeiter eines Dura-Werks aus Portugal einfliegen lassen, die die Wochenend-Schicht übernahmen. Dazu wurde mit den pourtgiesischen Angestellten Werksverträge geschlossen." (wa.de, 16.09.2017)
Den Spruch der Einigungsstelle vom Dezember 2017 lehnt die Unternehmensführung ab, "'weil er unstrittige finanzielle und wirtschaftliche Fakten nicht berücksichtigt, sowie Verfahrens- und Rechtsmängel aufweist'", heißt es in einer Pressemitteilung.
"Nach Ansicht der Dura-Geschäftsleitung bietet der Spruch der Einigungsstelle 'weder eine tragfähige Lösung für die laufenden Kündigungsschutzklagen im Zusammenhang mit den Entlassungen in 2017, noch Klarheit über die Zukunft des Plettenberger Werks, die Mitarbeiter und Kunden benötigen.' Eine nachhaltige Zukunft für den Standort setze Sicherheit über die Beendigung der Arbeitsverhältnisse voraus, sowie wirtschaftlich vertretbare Abfindungsregelungen für die Betroffenen."
Fast immer, wenn Unternehmensführungen ihre Ziele nicht verwirklichen können, wird an die Solidarität der "Arbeitnehmerseite" appeliert. Inwiefern gerade diese jedoch jahrelang in die Unternehmensstrategie eingebunden wurde... Davon ist dann nicht mehr die Rede.

Und nicht zuletzt wird dann auch noch von einer großzügigen Geste der Muttergesellschaft zu den Abfindungsregelungen gesprochen, die die Unternehmensführung der Öffentlichkeit verkaufen will:
"Hierfür sei die US-amerikanische Muttergesellschaft der Dura L&B bereit, freiwillig finanzielle Mittel für eine umfassende Lösung für Dura L&B bereitzustellen. Dazu gehöre auch die fortgesetzte Finanzierung von Vergleichen, die bisher mit über 70 Mitarbeitern von Dura L&B erzielt wurden. Dura L&B könne aus eigener Kraft keine Abfindungen für die Mitarbeiter finanzieren."
Ob das nun eine freiwillige Geste ist oder in welchem Maße die Muttergesellschaft Dura Automotive Systems Inc. zu einer angemessenen Regelung für Abfindungen im Sozialplan verpflichtet ist, hat das Bundesarbeitsgericht unter anderem in einem Urteil vom 22.01.2013 entschieden, in dem es um die Schließung eines unwirtschaftlichen Betriebes ging. Vielleicht ist in Blick in dieses Urteil für die Beteiligten hilfreich.

Quellen: lokalplus.nrw, 18.01.2018, wa.de, 16.09.2017

Nachtrag vom 29.04.2019:

Das Schicksal der Dura-Beschäftigten ist noch immer nicht geklärt.
"Am Montag und damit am vorletzten Tag der 133-jährigen Geschichte der Firma Dura haben sich noch einmal rund 150 Beschäftigte zu einer Betriebsversammlung getroffen und anschließend vor den Werkstoren an der Königstraße in Plettenberg dafür protestiert, dass die US-Eigentümer bei den Sozialplan-Verhandlungen am Dienstag Abfindungen zustimmen." 
Quelle: come-on.de, 29.04.2019


Nachtrag vom 01.05.2019:
"Die Gespräche zwischen der Geschäftsleitung und dem Betriebsrat über den Abschluss eines Sozialplanes sind heute ohne Ergebnis geblieben, da der Arbeitgeber auf der bisherigen Position beharrte. Der Betriebsrat zieht die Einsetzung der Einigungsstelle nach der Betriebsverfassung in Erwägung."
Quelle: come-on.de, 30.04.2019
 

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